Die Würde der Schwachen bewahren

Und Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und berichtete es seinen beiden Brüdern draußen. 1. Mose 9, 22

Obige Handlung betrifft Noah und seine Familie. Doch zunächst zu Noah selbst: Sein größtes Lebenswerk war der Bau der Arche. Wenn ich die Maße der Arche mit denen des Salomonischen Tempels vergleiche, war der Tempel um einiges kleiner. Die Maße des Tempels waren 10×30 Meter. Salomo beschäftigte etwa 100.000 Arbeiter und benötigte eine Bauzeit von ca. 6 Jahren. 1. Kön. 5, 27-29.

Die Arche dagegen maß 150×20 Meter. Es ist anzunehmen, dass Noah ebenfalls viele Tausend Arbeiter über etliche Jahre beschäftigte und dabei sein ganzes Vermögen hinein investierte. Damit zählt Noah ohne Zweifel zu den größten Glaubensmännern des Alten Testamentes. Seinem Gehorsam Gott gegenüber verdankt er nicht nur sein Überleben, sondern auch das seiner Familie. Dazu machte Gott einen Neuanfang mit der ganzen Menschheit. Nach Beendigung der Sintflut schloss Gott sogar einen Bund mit ihm und setzte den Regenbogen in die Wolken als Zeichen Seiner Treue, die Er Noah gelobt hatte. Der obige Text knüpft an diese Stelle an.

Noah hatte den ersten Wein geerntet und feierte mit den Seinen ein richtiges Freudenfest für einen Neubeginn auf einer neuen Erde; doch er hatte zu tief ins Glas geschaut. Noah wusste nicht mehr, was er tat. Völlig nackt lag er in seiner Hütte und hatte alle Viere von sich gestreckt.  Ungewollt betrat sein Sohn Ham den Schlafraum und erblickte seinen Vater in diesem Zustand. Ham hatte nichts Eiligeres zu tun, als seine Brüder Sem und Japhet zu informieren. Auch sie sollten sehen, in welch einem traurigen Zustand ihr Vater dalag. Beide waren jedoch entsetzt über diese Neuigkeit und getrauten sich nicht in das Gemach. Sie nahmen ein Kleidungsstück, legten es über ihre Schultern und traten rückwärts an das Bett ihres Vaters und bedeckten schamvoll seine Blöße. Als Noah erwachte und hörte was geschehen war, sprach er einen Fluch aus über Ham und einen Segen über Sem und Japhet, weil sie so gnädig mit ihm umgegangen waren. Diese Geschichte steht nicht umsonst in der Bibel.

Gemeinschaft ist Risiko und Chance zugleich. Je enger der Lebensraum, desto besser lernen wir uns kennen, besonders dann, wenn Druck entsteht oder wenn alles locker und lustig zugeht, wie bei Noah. Wie schnell werden dann menschliche Schwächen offenbar. Es werden Worte gesagt, die offiziell nie so gesagt worden wären, und bis dahin verborgene charakterliche Schwächen treten offen zu Tage.

Gott will uns zeigen, wie wir mit den Schwächen anderer umgehen sollen, besonders wenn es sich um die nächsten Angehörigen handelt oder um unsere Glaubensgenossen.

Für die Kritiker und Moralisten sind solche Augenblicke das gefundene  Fressen. Darauf haben sie gewartet und jetzt ist die Gelegenheit gekommen, eine brandneue Nachricht an Unbeteiligte weiterzugeben – natürlich mit der Geste des Entsetzens und der Abscheu, aber innerlich mit Lust am Verleumden. In solchen Fällen ruft uns die Liebe auf den Plan, die alles zudecken möchte.

Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch etwa von einem Fehltritt übereilt wird, so helft ihm wieder zurecht, mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Gal.6,1.

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