Die letzte Strecke gehen wir allein

Wende dich zu mir und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend. Die Angst meines Herzens ist groß; führe mich aus meinen Nöten! Psalm 25, 16-17

Ich bin einsam und elend, – das sagte ein Mann, der in der Wüste und in Höhlen der Berge Israels sein Dasein fristeten musste, weil der König Saul ihn aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen hatte und versuchte, ihn umzubringen.

David, ein einsamer Mann? Hatte er nicht vierhundert Männer um sich geschart, deren Führer er war? Wie konnte er sagen: „Ich bin einsam und fühle mich elend?“

Aus Erfahrung kenne ich Davids Antwort. Er würde sagen: „Es stimmt, ich bin nicht allein, aber ich bin in entscheidenden Momenten ein einsamer Mensch. Diese Männer hier wollen etwas von mir. Ich soll ihnen Mut zusprechen, ihnen Lieder singen, weil sie verbittert sind und hoch verschuldet und in mancherlei Notlagen.“ 1. Sam. 22, 1-2. „Möchte ich aber etwas von ihnen, dann schweigt der Mund. Hier suche ich vergeblich nach Trost, Rat und Hilfe.“

Sicher kennen wir alle solche Situationen. Ob wir einsam sind entdecken wir spätestens dann, wenn auch wir Trost und Hilfe suchen. Solange wir die Gebenden sind, scharen sich Menschen um uns und halten ihre Hände auf. Dann wird uns das Gefühl vermittelt, mitten drin zu sein, weil wir von allen geschätzt werden und wir machen uns keine weiteren Gedanken. Die Geschichte vom verlorenen Sohn soll uns eine Hilfe sein. Solange er kapitalkräftig war und Feste organisieren konnte, hatte er Freunde in Fülle. Er fühlte sich keineswegs einsam. Er war solange der Mann der Stunde, bis sich plötzlich das Blatt wendete. Unverhofft musste er Insolvenz anmelden und das große Erwachen kam. Er entdeckte, dass er eigentlich schon immer ein einsamer Mann war. Alle seine vermeintlichen Freunde hatten ihn jäh verlassen.

Trotzdem kann eine solche Situation auch hilfreich sein. Nachdem alle Stützen weggebrochen waren, besann er sich auf beständige Werte. Er erinnerte sich, dass er in der Ferne auch noch einen Vater hat, dem er in Stolz und Vermessenheit davongelaufen war. Zu ihm wollte er zurückgehen und seine Beziehung zu ihm wieder ordnen. Das Fest, das nun begann, wurde zu einem echten Freudenfest. Hier war nichts mehr künstlich, aufgepeppt mit Glanz und Glimmer und angehäuft mit vielen leeren Worten. Die ihm entgegengebrachte Liebe und Umarmungen waren echt und die Einsamkeit war beendet.

Es ist eine Tragödie, der Mensch ist ohne Gott zum verlorenen Schaf der Schöpfung geworden. Alle aufgebauten Beziehungen sind eigentlich nur Ersatz für den Verlust seiner Beziehung zu Gott. Ich beginne die Worte Jesu zu verstehen, die er am Kreuz betete: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus war wirklich von Gott verlassen und so starb er für unsere Einsamkeit. Niemand soll sagen können: „Warum fühle ich mich so einsam, warum fragt niemand nach mir, warum bin ich so ungeliebt?“ Diesen Zustand können wir ändern. Wenden wir uns an den, der für unsere Einsamkeit starb. Dann werden unsere Gebete zu Brücken in die Gemeinschaft mit Gott. Eine solche Brücke hatte David auch. Neben seinen vielen Klageliedern schrieb er auch den 23. Psalm. Hier sagte er voller Zuversicht: Der Herr ist mein Hirte, mein Versorger, mein Schutz in der Dunkelheit, meine Hoffnung über den Tod hinaus – das bedeutet, dass wir die letzte Stecke allein gehen müssen und wohl dem, der dann abgeholt wird.

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