Die betrübte Seele

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Psalm 42, 6

Offenbar haben wir es hier mit einem Selbstgespräch zu tun. Der Schreiber befasst sich mit seiner Seele und es macht den Anschein, als sei er mit sich selbst nicht zufrieden. So spricht er sich Mut und Gottvertrauen zu und ist sein eigener Seelsorger geworden – eine tolle Idee, meine ich. Wer sich selbst nicht kennt, bleibt sich ein Rätsel. Erstaunt steht er vor seinen Reaktionen und ist sogar enttäuscht, wenn diese aus der Bahn geraten.

Die Seele gleicht einem geheimnisvollen Bündel, gefüllt mit Gefühlen, Erinnerungen, Wünschen, Furcht und oft nur nebenbei auch mit Gottvertrauen. War der Schlaf mangelhaft, kann eine Tasse Kaffee ihr Stimmungsbild wieder zurecht rücken und schon singt sie wie eine Nachtigall.

Entspricht die Begegnung mit Menschen nicht ihren Wünschen und Vorstellungen, kann sie heftig reagieren, wie ein bellender Hund. Reicht ihr dieser aber die Hand und sagt ein paar gute Worte, schlägt das Stimmungsbarometer um und schon winselt sie und beginnt zu lächeln.

Ja, die Seele, großes Geheimnis. Aufbrausende Wogen werden abgelöst von einer glatten See, die niemandem Schaden zufügen kann und in deren Wellen man seine Seele baumeln lassen kann. Peitschende Stürme der Lust und Leidenschaft wechseln sich ab mit der keuschen Gebärde eines Heiligen. Das zähnefletschende Raubtier kann auch zwitschern wie ein Vogel.

Der brüllende Löwe, vor dem die Wüste erzittert, kann sich auch verstecken wie eine piepsende Maus, wenn es um die eigene Haut geht. Liebe Seele, du geheimnisvolles Etwas, das sich nicht trösten lassen will, harre auf Gott. Er allein kann das Gewirr von Fäden entflechten und einen schönen Teppich daraus knüpfen.

Lass keine Raben fliegen wie einst Noah. Diese haben kein Verlangen zur rettenden Arche zurückzukehren. Solche verirrten Vögel zeigen dir nicht den Weg in die neue Welt. Lass Tauben fliegen. Die kehren zurück und bringen auch dir einen grünenden Ölzweig als Gruß und sagen, dass das Ziel deiner Reise nicht mehr weit ist.

Danken wir dem Herrn, dass Er uns so erschaffen hat. Was wäre der Mensch ohne Gefühle? Was bliebe von ihm übrig? – Eine funktionierende Maschine, die auf Knopfdruck reagiert. Ein intelligentes Monster, das vor nichts zurückschreckt und über Leichen geht.

Nun aber bist du so, wie du bist, geheimnisvoll, unergründlich – aber in Gottes Händen. Jetzt bist du kein dunkler Abgrund mehr, sondern eine liebliche Quelle, aus der Gott seinen Segen fließen lässt. Leg deine Wünsche und Gefühle nur immer wieder in Seine Hände. Er allein ordnet das Chaos und ist Schöpfer einer neuen Welt.

Discover more from Erhardt Stiefel's Fundgrube

Subscribe now to keep reading and get access to the full archive.

Weiterlesen

Verified by ExactMetrics