Der Herr ist mein Hirte

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser. Er erquickt meine Seele. Er führt mich auf rechter Straße, um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Psalm 23

Die deutsche Übersetzung des 23. Psalms hat nur 93 Wörter. Lesen wir dagegen Goethes gesammelte Werke, dann hat der Gesamtinhalt, mit seinen vielen tausend dicht bedruckten Seiten nicht so viel Aussagekraft wie dieser Psalm. Es gibt kein gehaltvolleres Wort unter dem Himmel, das so viele Tränen getrocknet hat, wie dieser Psalm. Schwache und Niedergedrückte hat er aufgerichtet und mutig gemacht. Einsamen hat er Trost gespendet. Sterbenden war er Wegzehrung für ihre letzte Wegstrecke. Gefangenen wurde er zur Hoffnung und gab ihnen Kraft, durchzuhalten. Verirrten spendete er Licht und gab Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.

So ist es immer, wenn Gott zu den Menschen redet. Da kommt es nicht auf viele Worte an, sondern auf die richtigen Worte und diese zur rechten Zeit. Gott allein kennt unser Herz und weiß, was helfen kann.

Wenn David seinen Gott als Hirten anspricht, dann geschieht das nicht von ungefähr. David war selbst Hirte und war mit allen Bedürfnissen einer Herde vertraut. Er setzte sein Leben sogar für die Schafe ein, um nicht eines von ihnen zu verlieren. Gott stellt sich ebenfalls als Hirte vor, wenn Er sagt: Ich will meine Herde weiden, wie ein Hirte. Ich will die Lämmer in meinem Arm sammeln und im Bausch meines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen. Jes. 40, 11.

Dass Gott sich als Hirte vorstellt, weckt Vertrauen und gibt das Gefühl von Geborgenheit und Versorgung. Alles, was wir zu tun haben ist, sich als Sein Schaf zu betrachten und Bereitschaft zu zeigen, Ihm nachzufolgen. Das ist für viele nicht einfach. Wer will sich schon als Schaf sehen, das jemand über sich hat und geführt werden muss? Wer will sich hinten anstellen, sich einordnen und zu einer Herde gehören wollen, mit der er sich nicht zu identifizieren gedenkt. Wer will sich Weideplätze zuweisen lassen, die der Hirte ausgesucht hat? Wer will sich überhaupt nach Seinen Worten richten und tun, was Er sagt?

Das alles sind Gedanken, die nicht mehr in unsere Zeit hineinpassen wollen. Jeder strebt nach Unabhängigkeit, jeder will selbst bestimmen und sich von keinem Vorschriften machen lassen. Jeder glaubt, es genau zu wissen, und dass seine Entscheidungen stets die richtigen sind.

Der kleine Vogel denkt darüber anders. Er lebt in einer göttlichen Ordnung und läßt sich führen. So findet er den Weg in den warmen Süden und entflieht rechtzeitig dem Winter und damit seinem sicheren Tod.

Allein der Mensch macht eine Ausnahme. Er verweigert Gott die Führung. Er sucht sich selbst seinen Weg. Das ist der Grund dafür, dass der Mensch das unglücklichste Wesen in der Schöpfung ist. Er gleicht einem verirrten Schaf, weil er keine endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn seines Lebens gefunden hat.

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