Brücken bauen statt Mauern ziehen

Denn mit dir kann ich Kriegsvolk zerschlagen und mit meinem Gott über Mauern springen. Psalm 18, 30

Ein Stück Beton liegt auf meinem Schreibtisch, es gehörte zur Mauer in Berlin. Darum, dass ich acht Jahre in dieser Stadt gelebt habe, kenne ich ihre Geschichte. Man hatte sie erschaffen, um Menschen voneinander zu trennen. Sie sollten nicht mehr miteinander reden können und keine Gemeinschaft mehr haben. Am 13. August 1961 wurde sie gebaut und am 9. November 1989 zerbrach sie wieder.

Es gibt aber auch Mauern, die ein ganzes Leben lang bestehen können. Eine davon ist die Mauer des Schweigens.

Ralf und Gerda waren viele Jahre verheiratet – aber nicht glücklich. Traten Probleme auf, hüllte Ralf sich in Schweigen. So konnte es passieren, dass er tagelang kein einziges Wort sprach. Diese Situation ging auch nicht spurlos an den Kindern vorüber. Gerda suchte wegen ihrer Tochter Rat bei einem Psychiater. Der Psychiater war Christ und machte Gerda mit Jesus bekannt. Sie nahm Jesus als ihren Herrn an. Innerlich gestärkt, lag sie wieder einmal neben ihrem schweigenden Mann im Bett. Sie begann Gott zu bitten: „Wenn ich jetzt Ralf die Hand auflege, bringe du ihn zum Reden.“ Kaum hatte sie das getan, fing Ralf laut an zu weinen und augenblicklich war das Schweigen gebrochen. Auch er öffnete sich für Gott und beide begannen ihr Leben neu zu ordnen.

Mauern des Schweigens sind tödlich. Weil Eltern ihre Ruhe haben wollen, nehmen sie sich keine Zeit mit ihren Kindern über ihre Probleme zu reden. Das Schweigen entfremdet sie und jeder geht seinen eigenen Weg. Viele leben zurückgezogen und haben sich in Schweigen gehüllt, weil Menschen sie enttäuscht haben. Ungewollt vereinsamen sie oder werden süchtig oder depressiv.

Drei Stunden saß ich mit fünf weiteren Fahrgästen im Abteil des ICE. Niemand sprach ein Wort, bis ich das Schweigen brach. Beherzt sagte ich in die Runde: „Jetzt sind wir drei Stunden zusammen und haben nicht ein einziges Wort gesprochen, das muss doch nicht sein, oder?“ Eine Dame fauchte mich an: „Ich wohne im Altersheim und werde den ganzen Tag angequatscht, ich will meine Ruhe haben.“ Trotzdem war das Schweigen gebrochen und eine lebhafte Unterhaltung kam zustande.

Sei darauf bedacht, dass keine Mauer des Schweigens dich isoliert. Der Mensch wurde erschaffen, dass er Gemeinschaft haben soll und dazu gehört der Dialog. Lasst uns ohne Vorurteile aufeinander zugehen und das Gespräch suchen.

Lernen wir es, geduldig zuhören zu können. Unser aufrichtiger Wunsch soll sein, Brücken zu bauen, statt Mauern zu ziehen.

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