Urteilt nicht über andere, damit Gott euch nicht verurteilt. Denn so wie ihr jetzt andere verurteilt, werdet auch ihr verurteilt werden. Und mit dem Maßstab, den ihr an andere legt, wird man euch selber messen. Matthäus 7, 1-2
Es liegt in der menschlichen Natur, andere zu beurteilen. Dabei haben besonders Moralisten eine hohe Meßlatte. Entspricht jemand nicht ihren Vorstellungen, wird geurteilt, sortiert und abgestraft. Der Evangelist Lukas gibt uns dafür ein Beispiel. Eines Tages hatte Simon, der Pharisäer, Jesus in sein Haus geladen, um mit ihm Tischgemeinschaft zu haben. Unverhofft erschien eine Frau, sie war als Prostituierte stadtbekannt. Diese trat hinzu und salbte Jesus die Füße. Da Simon diese Frau kannte, hätte er sie am liebsten hinausgeworfen. Jesus aber ließ es geschehen und schon benutzte Simon seine Meßlatte: Wenn dieser ein Prophet wäre, müsste er wissen, wer diese Frau ist.
Damit war ein Urteil fällig. Es lautet: Dieser Jesus muss ein Scharlatan sein, sonst hätte er die Frau von sich gestoßen. Darauf antwortete Jesus: „Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Siehst du diese Frau? Ich kam in dein Haus und du gabst mir kein Wasser, meine Füße zu waschen. Diese aber netzte meine Füße mit ihren Tränen und trocknete sie mit ihren Haaren.
Du gabst mir keinen Kuss zur Begrüßung, diese aber hat nicht abgelassen meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Salbe gesalbt, diese aber hat mit ihrer Salbe meine Füße gesalbt. – Simon, du hast über diese Frau ein Urteil gesprochen und bist kein Stück besser. Während bei dir das Aussehen zählt, hat sie ein Herz voller Dankbarkeit, mir eine Liebestat zu erweisen. Eine schwere Last ist von ihrer Seele genommen worden. Ihr sind viele Sünden vergeben“. Luk. 7, 36-47.
Solche „Simons“ sitzen in unseren Gottesdiensten und warten nur darauf, etwas zu finden, das sie beurteilen können. Spurgeon kannte sie. Vierzig Jahre war er Pastor einer der größten Gemeinden Londons mit etwa 4000 Gottesdienstbesuchern. Er war bekannt für seine markigen Reden und sagte: „Ist eine Predigt nach ihrem Geschmack gewesen, so legen sie haufenweise ihr Lob darauf; war sie es nicht, dann schnappen sie wie ein bissiger Hund nach einem Igel, knurren und bellen. Jede Stubenuhr und selbst der Sonnenzeiger an der Wand des Rathauses, muss nach ihrer Uhr gestellt werden, und wer im Geringsten von ihrer Meinung abweicht, der beweist damit, dass es schlecht um seine Seele bestellt ist. Versuche nicht, mit ihnen zu diskutieren. Ihr kleiner Topf wird bald überkochen und es schäumt nach allen Seiten. Frage nach Gründen und du kannst Zucker aus der Sandgrube holen.
Sie haben das Meer der Wahrheit in Flaschen abgefüllt und in ihre Westentasche gesteckt. Schmal ist die Kante des Keils, aber wenn der Teufel den Hammer schwingt, so werden Gemeinden bald in Stücke gehauen und die Menschen wundern sich dann, wie das möglich war. Das schlechteste Rad am Wagen knarrt am lautesten.“
Das wollen wir mit in den Tag nehmen: Wir wollen die Menschen annehmen, wie sie sind und nicht, wie sie nach unseren Vorstellungen sein sollen. Dabei lasst uns verstehen, dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreiben kann.