Lass dir genügen

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 1. Korinther 13, 12

Ich kenne Christen, bei denen ein geistliches Gespräch schwierig werden kann, wenn es um Erkenntnisfragen geht. Sie haben ihre Überzeugung und sind der festen Meinung, zur wahren Erkenntnis durchgedrungen zu sein. Sie haben den Schlüssel zur Wahrheit gefunden. Schaut man näher hin, dann haben sie Dinge geschaut, die selbst die Engel nie gesehen haben oder Worte gehört, die Jesus nie gesprochen hat oder sie sind zu Dimensionen durchgedrungen, wo noch nie einer vor ihnen war. Diese „höheren Erkenntnisse“ benutzen sie dann als Meßlatte. Wer nicht mit ihnen übereinstimmt, wird kritisiert.

Als Kinder benutzten wir Spiegel, um Personen zu blenden. Wir fingen das Licht der Sonne ein, reflektierten es auf sie und hatten unsere Freude daran, wenn sie geblendet waren. Niemand von uns wäre auf die Idee gekommen, dass sein reflektiertes Licht das ganze Licht der Sonne sei. Jeder hatte nur ein paar Strahlen eingefangen und diese weitergeleitet.

Paulus benutzt, wenn es um Erkenntnisfragen geht, ebenfalls einen Spiegel. Spiegel, lat. „speculum“, bedeutet so viel wie spekulieren, vermuten oder annehmen. Der Betrachter blickt hinein – lat. „aspicere“, – er inspiziert oder kontrolliert.

Obwohl Paulus zu den Füßen des großen Gelehrten Gamaliels saß und die Thora studiert hatte und Jesus ihm die Botschaft des Evangeliums persönlich offenbarte, spricht er in aller Demut von Stückwerk. Er will sagen, dass kein Mensch Gottes großartiges Wesen und Handeln je zu ergründen vermag. Jeder lebt nur von kleinen Reflexen aus der unermesslichen Liebe und Herrlichkeit Gottes. Diese aber reichten für Paulus aus, um sein Leben zu verändern. Das Licht, das er einfangen konnte, war genug, um als Apostel in die Welt hinauszugehen und die Gute Nachricht den Völkern zu bringen. Es reichte aus, um für seinen Meister zu leben und zu sterben.

Von den Athenern wird uns berichtet, dass sie immer auf Neuigkeiten fixiert waren. Apg. 17, 21.
Das hat sich bis heute nicht geändert. Die Flut von Informationen, die Neues verkünden, ist mittlerweile so groß geworden, dass wir von einer Inflation der Informationen sprechen können. Das geht auch nicht spurlos an uns vorüber. Der Wunsch nach höheren Erkenntnissen hat eine Fülle von Blüten getrieben.

Hier liegt der Tummelplatz von Sekten mit Sonderlehren. Hier tummeln sich die Super-Apostel mit Angeboten, die weit über das einfache Evangelium hinaus gehen. Würde Paulus heute leben,  so könnte ich die Worte hören: Lass dir an dem genügen, was Gott durch sein Wort offenbart hat. Begnüge dich mit der guten Botschaft des Evangeliums. Sage den Menschen, dass sie verloren sind und in der Hölle erwachen, wenn sie Jesus nicht als ihren Retter annehmen.

Gib keine Ratschläge weiter, die von geschäftstüchtigen Leuten ausgedacht wurden. Auch du kannst nur einen Spiegel benutzen und damit einen Bruchteil von dem reflektieren, der das ganze Universum regiert. Sei demütig und lass dir genügen.

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