Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Jesaja 40, 31
Unser Flug ging nach Bombay. Ich hatte einen Fensterplatz und mein Blick ging hinaus. Die Städte, Flüsse, Wälder, die Küsten tief unter mir erschienen klein wie Spielzeuge. Das Auge konnte sich nicht satt sehen an dieser unendlichen Weite. Doch das sollte sich bald ändern. Einige Stunden später saßen wir zusammengedrängt in einem uralten klapperigen Taxi. Wir ließen uns ins Hotel bringen. Hier unten war alles anders. Ich schaute zu den grauen Fassaden hinauf, die uns zu ersticken drohten. Die Luft war erfüllt von Benzingestank und Auspuffgasen. Um uns tobte ein gnadenloser Verkehr. Fast jeder fuhr mit dröhnender Hupe und boxte sich durch das Gewühl. Von Schwerelosigkeit und einem Platz am Fenster mit herrlichem Blick in die Weite war hier keine Rede mehr. Hier herrschte offenbar das Gesetz des Stärkeren.
Ich wurde an Jesajas Worte erinnert: Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Welch ein Spannungsfeld wird hier beschrieben, angefangen vom schwerelosen Flug eines Adlers, bis tief hinab auf die Erde, wo man zu Fuß gehen muß. Genau das war unsere Situation und ebenso ist es im geistlichen Leben. Die Nachfolge kennt Höhen und Tiefen, Lachen und Tränen, besitzen dürfen und wieder loslassen müssen. Siege feiern dürfen und auch mal verlieren müssen. In einem solchen Spannungsfeld lebten auch unsere geistlichen Väter.
Hebräer 11 nennt einige, die Geschichte geschrieben haben, und an die wir uns gerne erinnern. Aber schauen wir einmal genau hin: schwebten sie nur wie Adler? Wie schrecklich muss das Spannungsfeld zwischen Kain und Abel gewesen sein. Was ging dem Brudermord voraus, haben wir darüber schon einmal nachgedacht? Trotzdem bewahrte Abel seine Beziehung zu Gott und gab sein Bestes. Henoch wandelte mit Gott, lesen wir und der Herr nahm ihn zu sich. Wie einfach hört sich das an. Dass Henoch aber diesen Weg allein gehen musste, fällt nur wenigen auf. Was taten seine Frau oder seine Kinder? Zog sich hier nicht ein tiefer Graben mitten durch die Familie? Dann wird uns Noah vorgestellt. Er baute eine Arche, lesen wir, und rettete damit sein Leben und das der Familie. Aber haben wir einmal darüber nachgedacht, unter welchen Umständen die Arche zustande kam? Versuch einmal dasselbe zu tun und warte ab, was die Bevölkerung sagen wird oder wie die Medien darauf reagieren. Zum Gespött seiner Mitmenschen hämmerte er Tag für Tag und Jahr für Jahr und am Ende war er drinnen, während die anderen draußen standen und in den Fluten ertranken.
Bei Abraham mag es ähnlich gewesen sein. Wer den Orient kennt, weiß, dass es außerhalb der eigenen Sippe kein Überleben gibt. Entweder man gehört dazu oder man ist ein toter Mann. Abraham nahm das in Kauf und ging seinen Weg. Abraham wusste nicht wohin die Reise geht, dafür schenkte Gott ihm einen Blick in die unsichtbare Welt. Er sah die Goldene Stadt, seine zukünftige Heimat. Welch eine Perspektive für einen einsamen Mann. Ähnlich wird es jedem ergehen, der die Nachfolge angetreten hat. Auch sein Leben kommt in ein Spannungsfeld von lichten Höhen und dunklen Tälern. Wohl dem, der damit umzugehen weiß.