Väter gesucht

Selbst wenn ihr zehntausend Erzieher hättet, die euch im Glauben unterweisen, so habt ihr doch nicht viele Väter. Denn ich habe euch die rettende Botschaft von Jesus Christus gebracht, und dadurch habt ihr das Leben empfangen. Darum bitte ich euch: Folgt meinem Beispiel. 1. Korinther 4, 15-16

Gelehrsamkeit stand bei den Korinthern hoch im Kurs, sie waren mehrheitlich Griechen. Vielleicht reihte sich hier ein Seminar an das andere. Paulus hatte diese Gemeinde gegründet. Er kannte jeden Einzelnen und war um sie besorgt. Er schreibt: Selbst wenn ihr zehntausend Erzieher hättet, die euch im Glauben unterweisen, so habt ihr doch nicht viele Väter

Aus Erfahrung weiß ich, dass junge Gemeinden aus Gläubigen bestehen, die zwar begeistert sind, aber niemanden haben der sich wirklich um sie kümmert. Es fehlen Menschen, die Zeit haben zuzuhören, zu trösten, zu motivieren und Rat zu geben. Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Geistliche Vaterschaft muß man annehmen, ebenso wie der Mann sein Kind annimmt, welches seine Frau geboren hat.

Ich wünsche mir Männer und Frauen in unseren Gemeinden, die gerne Verantwortung übernehmen wollen, die nicht nur einen Gottesdienst besuchen, um sich eine Predigt anzuhören, sondern für andere da sein möchten. Der ist ein Segen, der bereit ist, sein Glück mit anderen zu teilen.

Wenn ich an geistliche Väter denke, erinnere ich mich an Opa, er war der Prinzipal unserer Bibelschule. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, war ich ein junger Student, gerade 25 Jahre alt. Wir Studenten nannten ihn Opa. Das geschah keineswegs aus Respektlosigkeit. Nein, Opa war sein Ehrenname. Unsere Generation hatte keine Väter. Unzählige waren im Krieg gefallen. Kein Wunder also, dass wir in unserem Lehrer den fehlenden Vater sahen. Er nannte uns „Jungens“ und das tröstete nicht nur, es machte uns richtig stolz.

Einmal sprach Opa über die Opferung des Isaak. Ehe wir uns versahen, hatte er sein Lehrerpult zu einem Altar umfunktioniert. Mit dramatischen Gesten beschrieb er Abraham, der seinen Sohn Gott als Opfer darbringen wollte. Dabei legte er sich selbst auf den „Altar“ und übernahm die Rolle des Isaak: „Vater, ich bin bereit das Opfer zu sein, das Gott von dir verlangt.“ – Wir waren sprachlos. Niemand hatte bisher diese Geschichte so gelesen. Dann erhob er sich, streckte uns seine raue Hand entgegen und fragte, ob wir bereit seien, unser Leben für andere hinzugeben. „Niemand von euch kann Gott dienen, wenn er nicht bereit ist, für andere leben zu wollen.“ Was er gesagt hatte, war sein Leben. Zusammen mit seiner Frau lebte er es uns jeden Tag auf Beröa vor.

Eines Tages mussten wir „Jungens“ uns von Opa trennen. Opa, eigentlich J. P. Kolenda, ging mit 80 als Missionar noch einmal zurück in die Urwälder Brasiliens, um dort eine Pionierarbeit zu beginnen. Immer noch fühle ich seine Arme um meine Schultern gelegt, wenn ich wieder einmal Trost und Ermutigung brauche und höre seine Worte: „Habe auch du den Wunsch, selbst einmal ein geistlicher Vater sein zu wollen“. Ja, das habe ich angenommen, ich habe mich immer wieder bemüht, anderen Trost und Ermutigung zuzusprechen und mit diesem Minimutmacher einen weiteren Beitrag geleistet.

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