Weint Jesus nur über Jerusalem ?

Und als Jesus nahe zur Stadt kam, sah er sie an und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zu deinem Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. Lukas 19, 41-42

Eine unglaubliche Szene: Der Schöpfer der Welt – der gesagt hat: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden – weint über eine Stadt. Jemand, der über Menschen weint, gibt zu erkennen, dass Mitleid ihn zu Tränen rührt, dass er seine Bemühungen zu helfen als gescheitert erklärt. Unfassbar. Ist Gott gescheitert? Er wollte helfen, aber er konnte nicht. War er zu schwach? Ja, denn Liebe kann nicht alles. Sie zwingt keinen Menschen zu etwas, wozu er Nein sagt. Man kann sie abweisen, sie verachten und mit Füßen treten. Genau das war geschehen, und trotzdem betete Jesus: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. Hat er damit ihr Schicksal gewendet? Nein. Das Unvermeidliche kam: Eine ganze Nation musste einen Weg unsäglicher Leiden antreten, als Folge von permanentem Ungehorsam und Unglauben.

Schreckliches ist im Dezember 2004 geschehen. Ein Tsunami im Indischen Ozean hatte Hunderttausende unter seinen Fluten begraben, Existenzen vernichtet, Familien zerrissen. Unsägliches Leid – weltweit – und es ist kein Ende in Sicht. Wir Christen werden gefragt, was Gott dazu zu sagen hat. Ist er grausam? Straft er die Menschen, weil sie böse waren? So etwas lässt sich mit einfachen Worten nicht leicht erklären. Dennoch: Weint Jesus nur über Jerusalem? Weint er nicht auch über all’ das gegenwärtige Leid in dieser Welt? Liebe hat Gefühle und kennt das Mitleid. Liebe weint auch heute noch. Ich glaube, wir haben es nie richtig verstanden, wenn die Schrift sagt: Gott ist Liebe. Liebe will kein Leid. Liebe möchte, dass es allen gut geht und jeder sich seines Lebens erfreue. Das ist das Wesen der Liebe. Jesus kam nicht in die Welt, um sie zu richten, sondern, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, sagt die Schrift. Das ist eine Absichtserklärung. Jesus war angesichts der Katastrophen nicht der Richter sondern der Weinende, weil er der Retter ist.

Schon zur Zeit Noahs lesen wir, dass Gott angesichts der damaligen Menschheit in seinem Herzen tief bekümmert war. Er wollte keine Sintflut und konnte sie dennoch nicht verhindern. Warum? Es gibt Gesetzmäßigkeiten, die wir außer Acht lassen. Es ist das Gesetz von Saat und Ernte. Dieses Gesetz zieht alle Menschen in die Eigenverantwortung. Wer Dornen sät, muß Dornen ernten, ob es ihm gefällt oder nicht. Gott straft nicht unsere Sünden, er „belohnt“ sie nur, ebenso wie er das Gute belohnt. Der Sünder straft sich immer selbst. Denken wir an den verlorenen Sohn.

Die Gemeinschaft mit Schweinen war die logische Folge seines Handelns. Dann noch etwas: Wir klammern die unsichtbare Welt in der Regel aus. Wer Böses tut, geht einen Bund mit dem Bösen ein. Der Teufel bekommt Zugang zum Menschen, zu ganzen Gebieten und Ländern und gewinnt Macht über ihre Bewohner. Geschieht das, wird Gott der Schutz verwehrt. Der Schutz ist von ihnen gewichen, sagte Josua im Blick auf die Völker Kanaans, und ihr Untergang war unausweichlich. 4. Mos. 14,9.

Nun trifft es aber auch solche, die Gott lieben. Haben diese wirklich alles verloren oder haben sie alles gewonnen? Hier kann die Geschichte des Hiob uns eine Hilfe und ein Trost sein. Ich bin sicher, dass in der Ewigkeit niemand die Frage stellen wird, warum Gott das zugelassen hat. Bereit sein ist alles.

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