Der Trost einer Mutter

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Jesaja 66, 13

Es gibt wenige Frauen, die gerne Mutter sein möchten. Einerseits hindert sie die Karriere, andererseits aber hatten sie selbst keine wahren Mütter. Niemand hat sie je getröstet; wie könnten sie heute ein Kind trösten? Die Fähigkeit, zu lieben, konnte sich nicht entwickeln und so haben Selbstverwirklichung, Sachlichkeit und Berechnung den Platz der Liebe eingenommen. In unserer Gesellschaft sind Kinder weitgehend unerwünscht. Kinder werden als Hinderung für eine ungezwungene Lebensgestaltung betrachtet oder als Kostenfaktor. Wir hatten das große Kaufhaus kaum betreten, als plötzlich ein kleines Kind uns auf sich aufmerksam machte. Mit lautem Geschrei stand es hilflos da und dicke Tränen rollten über seine Wangen. Immer wieder rief es: „Mama, Mama, Mama…“. Offenbar hatte es im Gedränge seine Mutter verloren und jetzt war die Not groß. „Mama, Mama“, schrie es immer wieder und schaute sich dabei sehnsüchtig nach allen Seiten um.

Ich versuchte es zu trösten – aber vergeblich. Es hatte mich nicht einmal angeschaut. Die Mama musste her und sonst nichts auf der Welt! Wir schauten uns um, und siehe da, die Mama hatte ihr Kind entdeckt und kam eilends angelaufen, umfasste ihren kleinen Schatz und drückte ihn fest an sich. Augenblicklich war alle Not vergessen und ein kleines Gesicht fing wieder an zu strahlen. Allein eine liebende Mutter vermag ihr Kind zu trösten. Unter ihrem Herzen ist es herangewachsen. So hat sie eine innige Beziehung zu ihrem Kind, tiefer als der Vater sie haben kann. Sie kennt ihr Kind genau und weiß, was ihm fehlt. Ihre zarte Stimme, die Art des Umganges, ihre zarten Hände, die Ausstrahlung – das alles bedeutet Trost für ihr Kind.

Auf diese Wahrheit beruft sich Gott, wenn Er sagt, wie Er mit uns umzugehen gedenkt: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Allein der Mensch bedarf des Trostes, deshalb möchte Gott uns seinen Geist schenken, damit wir durch ihn Trost empfangen, wenn es an Geborgenheit und Zuspruch mangelt. Jesus nennt ihn sogar den Tröster. Joh. 14, 16.

Glaubt das der Leser? Wie oft ist unser Gottesbild von Härte und Strenge, von Leistung, Strafe und Gericht gezeichnet. Wie oft reagiert unser Gewissen negativ, weil wir glauben, Gott wieder einmal erzürnt zu haben. So erwarten wir Strafe statt Hilfe. Wie oft sind deshalb unsere Predigten Drohbotschaften statt Lockrufe hin zu einem Gott, der zu trösten vermag. Während ich das schreibe, höre ich wie einige sagen, dass Gott sich in der Bibel als Richter und Vergelter vorstellt und wie sich das mit dem Vergleich einer tröstenden Mutter vereinbart?

Ist Gott ein Gott der Liebe, dann kann er nicht alles. Die Liebe hat andere Spielregeln als Gewalt. Während Gewalt demütigt, vergewaltigt und zwingt, ruft die Liebe; sie bittet und bietet sich an. Man kann sich ihr verschließen oder sie mit Füßen treten. Jesus konnte nur noch weinen, als man Seine Liebe auf brutalste Art abgelehnt hatte. Luk. 19, 41. Was dann geschah, lässt sich nicht in Worte fassen. Wenige Jahre später wurde eine prächtige Stadt bis auf die Grundmauern zerstört und ein erwähltes Volk musste einen unerbittlichen Weg in den Holocaust antreten – bis heute. Wen Gott nicht trösten kann, der bleibt so lange ungetröstet, bis er den Weg zur „Mutter“ wieder gefunden hat.

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